Bundesgericht konstatiert Bewilligungsbedarf für verdeckte Ermittlung
Die Zürcher Stadtpolizei hat mit dem Einsatz von Scheinkäufern im Drogenmilieu Schiffbruch erlitten. Das Bundesgericht hat in zwei Fällen bestätigt, dass eine verdeckte Ermittlung vorliegt, die der Bewilligung durch einen Richter bedurft hätte.
(sda) In einem ersten Fall hatte ein Polizeibeamter telefonisch Kontakt mit einem 26-jährigen Ecuadorianer aufgenommen. Im Verlauf weiterer Gespräche bot ihm dieser 180 Gramm Kokain für 14’000 Franken zum Kauf an. Erst bei der Übergabe realisierte der Drogenhändler, dass er einem Stadtpolizisten auf den Leim gekrochen war.
Beweise ohne Bewilligung wertlos
Das Zürcher Obergericht sprach den Dealer im vergangenen Juli vom Vorwurf mehrfacher Betäubungsmitteldelikte frei. Es war zum Schluss gekommen, dass der Einsatz des Polizeibeamten gemäss bundesgerichtlicher Praxis in den Anwendungsbereich des Bundesgesetzes über die verdeckte Ermittlung (BVE) falle.
Die Aktion hätte damit vom Richter vorgängig bewilligt werden müssen. Da diese Genehmigung gefehlt habe, dürften die im Einsatz des V-Mannes erlangten Beweise nicht verwertet werden. Die Zürcher Oberstaatsanwaltschaft gelangte gegen den Entscheid ans Bundesgericht, das ihre Beschwerde nun abgewiesen hat. Grundsatzurteil von 2008
Die Staatsanwaltschaft hatte vergeblich argumentiert, dass das BVE durchaus Spielraum für Drogen-Scheinkäufe offen lasse, die ohne den richterlichen Segen durchgeführt werden. Hier habe sich die Aktion auf wenige Telefonate und zwei Treffen beschränkt. Die Initiative für den Deal sei zudem vom Ecuadorianer ausgegangen.
Das Bundesgericht verweist darauf, dass laut seinem Grundsatzurteil von 2008 eine verdeckte Ermittlung immer dann vorliegt, wenn ein als solcher nicht erkennbarer Polizeibeamter mit einer verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken Kontakt knüpft. Keine Rolle spiele dabei der Täuschungsaufwand oder die Intensität des Eingriffs.
Marihuana im Musikladen
Laut Bundesgericht kann in diesem Sinne bereits bei einem einfachen, isolierten Scheingeschäft eine verdeckte Ermittlung vorliegen. Im konkreten Fall habe der Polizeibeamte aktiv und zielgerichtet einen Kontakt zum Verdächtigen geknüpft, indem er das Mobiltelefon des als Dealer verdächtigten Mannes angerufen habe.
Das Gericht räumt ein, dass die Lehre seine strenge Praxis kritisiert hat. Das sei indessen kein Anlass zur Änderung der Rechtsprechung. In einem weiteren Urteil hat das Bundesgericht einem Mann Recht gegeben, der in einem Musikladen von einem zivilen Polizeibeamten gefragt worden war, ob er «etwas zu rauchen» habe.
Der Mann verwies ihn an den Ladenbesitzer, der ihm Marihuana verkaufte. Die Zürcher Justiz sprach den «Vermittler» 2009 schuldig. Laut Bundesgericht liegt indessen auch hier eine verdeckte Ermittlung vor, die der Bewilligung des Richters bedurft hätte. Ohne diese dürfen die Beweise nicht genutzt werden.
Quelle: nzz.ch