von Christine Lagorio
Marihuana ist Teufelszeug, finden die US-Konservativen. Doch im Pleitestaat Kalifornien wächst die Versuchung, mit einer Legalisierung die Staatskasse aufzupäppeln.
Kalifornien muss sparen, und viele fürchten die Einschnitte. Eine Gruppe allerdings könnte vom Beinahebankrott des Bundesstaats profitieren: die Befürworter einer Marihuanalegalisierung.
„Im jetzigen Umfeld sind Steuererhöhungen sehr umstritten, und in Kalifornien sinken die Einnahmen aus Immobilien- und Einkommensteuern“, sagt Sujit Canaga Retna vom Council of State Governments, einem Gremium, das die US-Staaten berät. „Deshalb überlegen sich die politischen Entscheider kreativere Wege, um das dunkle Haushaltsloch zu stopfen.“
Einer dieser kreativen Wege ist die Freigabe von Marihuana. Im Parlament liegt ein Entwurf des Demokraten Tom Ammiano, der vorsieht, Cannabis zu legalisieren und mit 50 $ pro Unze (28,35 Gramm) zu besteuern. „Es entbehrt jeder Vernunft, Parks zu schließen und wichtige Dienstleistungen für Arme zu streichen, während diese potenzielle Einnahmequelle zur Verfügung steht“, so Ammiano. Sein Entwurf hängt im Parlament fest, doch inzwischen wurden weitere Anträge eingebracht. Und vor allem gibt es Bewegung bei den Konservativen. Überraschend hat Gouverneur Arnold Schwarzenegger jüngst Offenheit signalisiert. „Ich glaube, es ist Zeit für eine Debatte“, so der Republikaner.
Die vollständige Freigabe von Marihuana würde Kalifornien einer Studie zufolge fast 1,5 Mrd. $ jährlich an Steuern einbringen, denn die Pflanze würde dann zum Hauptanbauprodukt des Bundesstaats.
Harvard-Ökonom Jeffrey Miron ist skeptischer, er geht davon aus, dass leicht 100 Mio. $ pro Jahr zusammenkämen, würde die Droge wie Zigaretten oder Alkohol besteuert. Das entscheidende Argument für ihn ist aber die Verschwendung von Steuergeldern heute: „Das Verbot von Marihuana ist extrem kostspielig, berücksichtigt man die Verhaftungen, Gefängnisstrafen und Polizeikosten. Wir verschwenden Geld mit dem Versuch, diese Politik umzusetzen. Wir verschlimmern das Problem nur, indem wir Marihuana in den Schwarzmarkt treiben.“
Schon seit 1996 ist die Nutzung von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Kalifornien erlaubt, und es kann auf Rezept gekauft werden. „In Kalifornien hat praktisch jeder problemlosen Zugang zu Cannabis, und in Kalifornien lebt jeder achte Amerikaner“, sagt Allen St. Pierre, der eine Organisation leitet, die für eine Gesetzesreform eintritt.
Wie die Zukunft aussehen könnte, lässt sich in Oakland besichtigen. Ein Mann namens Richard Lee hat die Stadt in ein Kifferparadies verwandelt. Es gibt dort Coffeeshops, ein Marihuanahotel, eine Marihuanaschule – offiziell gilt dies alles als medizinisch notwendig.
Mit Blick auf das niederländische Vorbild wird der Stadtteil schon „Oaksterdam“ genannt, das Echo in der Bevölkerung ist positiv. Letzte Woche stimmten 80 Prozent der Bürger Oaklands dafür, für den Handel mit Cannabis eine eigene Firmensteuerkategorie einzuführen – ein Novum in den USA. Der Steuersatz beträgt 1,8 Prozent und soll der Stadt jährlich mehrere Hunderttausend Dollar einbringen.