Immer wieder mal ist in den Nachrichten von gut durchdachten und ebenso raffinierten Methoden zu lesen, dank denen es Drogendealern gelingt, Drogen, Hanfsamen und andere illegale Produkte durch Mittelmänner über die Landesgrenzen, sei es per Land-, Luft- oder Wasserweg, zu schmuggeln. Der Normalbürger staunt über die zahlreichen Verstecke, in denen illegale Ware unentdeckt transportiert werden kann. Sei es in den Schuhsolen, im Körperinneren oder in Kleidernähten – noch heute passiert trotz modernster Technik täglich eine Menge illegaler Waren die Grenze. Wer über diese Kniffs und Tricks der Verdeckung illegaler Tätigkeiten erstaunt ist, wird angesichts der Entdeckung, welche die Feuerwehrmänner des nordrhein-westfälischen Anrsbergs bei einem routinemässig anmutenden Einsatz machten, sprachlos sein.
Gut durchdachtes Drogenprojekt lässt Ermittler jahrelang im Dunkeln tappen
Seit beinahe zwei Jahren befasst sich die Justiz im nordrhein-westfälischen Arnsberg mit dem grössten Fall von Cannabis-Anbau der Bundesrepublik Deutschland. Die Tätigkeiten einer Bande, die nur durch Zufall aufgedeckt worden waren, werden von den Ermittlern als „professionell“ bezeichnet. Dies nicht ohne Grund, was durch die später im Text erwähnten Umstände des Anbaus erläutert wird. Vor dem Arnsberger Landgericht beginnt nun der siebte Prozess gegen einen 41 Jahre alten Mann aus Hessen. Gemeinsam mit einem Dutzend Haupttätern und einer Vielzahl von Helfern soll er zur Produktion von insgesamt 2.6 Tonnen Marihuana beigetragen haben. Diese soll sich über die Jahre 2000 bis 2007 erstreckt haben. Einigen Bandenmitgliedern ist bereits eine zwischen drei und sieben Jahre dauernde Haftstrafe auferlegt worden. Noch lange nicht alle der am Projekt Beteiligten sind heute gefasst. Jetzt geht es in erster Linie darum, die bereits gefassten Mit- und Haupttäter in einem adäquaten Rahmen zu bestrafen.
Folgenschwere Entdeckung aufgrund eines unglücklichen Zufalls
Die Ermittlungen werden vom Arnsberger Oberstaatsanwalt Rainer Hummert geleitet. Die Bedrohung einer Fabrikhalle im sauerländischen Sundern-Hachen durch Starkregen führte zum Einrücken der Feuerwehr. Als diese das Gebäude betrat, um den Strom abzustellen, traf sie unerwarteterweise auf getrocknete Cannabis-Pflanzen. Diese entpuppten sich schliesslich als 150 Kilogram Drogen, die von der örtlichen Polizei natürlich sofort beschlagnahmt wurden. Daraufhin wurden zwei Männer festgenommen.
Unfassbare Organisationsprofessionalität und Produktqualität
Diese Entdeckung sollte erst der Anfang sein. Nachdem Ermittler einen Kontoauszug über eine Stromrechung einer Halle in Hessen gefunden hatten, wurden in Rodgau-Jürgesheim mehr als 2000 Cannabis-Pflanzen in einer entsprechend grossen Halle sichergestellt. Der Aarnsberger Oberstaatsanwalt Rainer Hummert vergleicht die Ausmasse der Anpflanzung mit einem riesigen Kornfeld. Beleuchtung, computergesteuerte Bewässerung und künstliche Belüftung haben sich positiv auf das Wachstum der Pflanzen ausgewirkt. Die 2.6 Tonnen Drogen mit einem Wirkstoffgehalt von über elf Prozent würden für jeden Einwohner Polens einen Joint abgeben. Anders gesagt könnten daraus ganze 43 Millionen Konsumeinheiten hergestellt werden.
Tarnung führt die Öffentlichkeit jahrelang an der Nase herum
Bis zu drei Mal pro Jahr wurde in neun im Raum Offenbach und Frankfurt angemieteten Hallen geerntet, worauf wegen der Gefahr, entdeckt zu werden, nach spätestens zwei Jahren jeweils der Standort gewechselt wurde. Die offizielle Information, in den Hallen würden Lichtexperimente durchgeführt, sollte die hohen Stromrechnungen rechtfertigen. Was, wie sich nun herausgestellt hat, auch über Jahre hinweg gelang.
Anonymität als oberstes Gebot auch gegenüber den eigenen Arbeitskräften
Damit die Helfer von niemandem mit dem Namen angesprochen werden konnen, wurden sie mit verbundenen Augen und in mit einer Nummer versehenen weissen Overalls zu den Hallen gebracht. Den Hauptverdächtigen im Prozess scheint viel daran gelegen zu haben, dass lediglich eine minimale Anzahl der am Projekt Beteiligten, darunter auch Kroaten, die entsprechenden Standorte kennen. Der mutmassliche Drahtzieher aus Frankfurt, der Rede nach auf dem Balkan untergetaucht, und die ihm nahestehenden Haupttäter gönnten sich hohe Gehälter und nicht geringe Prämiensummen. Die maschinell in Ein-Kilo-Beutel verpackten Drogen wurden dem „Finanzminister“ genannten Stellvertreter des Bandenführers übergeben, der, nachdem er nach Thailand geflohen war, von Zielfahndern des BKA aufgespürt wurde. Die Identität der Empfänger der Drogen bleibt jedoch weiterhin ungeklärt.