US-Star stellt Autobiografie in Berlin vor
Berlin -Mit Smalltalk hält er sich nicht lange auf, der Mann hat eine Botschaft. Andre Agassi (39) will so sein, wie seine Autobiografie heißt: „Open“ – offen. Und dass er bei der Präsentation seiner vorzüglich aufgeschriebenen Memoiren kein Blatt vor den Mund nimmt, musste gestern im Berliner Hotel Adlon gleich die Verlagsvertreterin erfahren. Die wollte sich eingangs nur ahnungslos nach der Größe seines Gepäcks erkundigen. „Was?“, fragt er kopfschüttelnd. „Gibt es hier noch andere Fragen?“
Fragen wirft der 589 Seiten starke Wälzer auch auf, nachdem erste Sensationen vorab enthüllt wurden: die Drogenbeichte, der Bluff mit dem Toupet. Seine Frau, Tennislegende Steffi Graf, legt bekanntlich großen Wert auf die Privatsphäre. „Es gab neun Fassungen, von denen hat sie drei gelesen“, berichtet Agassi freimütig. „Sie hat mich nie zurückgehalten, sie hat mich immer unterstützt.“
Entstanden ist nach drei Jahren des Feilens an der Seite seines Ghostwriters J.R. Moehringer, einem Pulitzer-Preisträger, keine oberflächliche Sportlerbiografie. „Open“ ist voll tiefschürfender Reflexion und Ironie. Das Fazit: Als Sportler saß Andre Agassi in einem Gefängnis und brauchte mehr als 30 Jahre, um auszubrechen. „Ich habe Tennis immer gehasst und tue es noch heute“, sagt er. Es ist eine Hassliebe, denn immer noch trainiert er gelegentlich mit seiner Frau und verfolgt die Szene.
Seine erste Gefängniszelle war der Hinterhof des Elterhauses in Las Vegas. Noch bevor Andre zur Schule ging, schlug er, getriezt vom Vater, einem iranischen Boxer, stundenlang Bälle gegen die Wand. Der Vater macht ihn zu seiner Obsession. Vor Jugendturnieren gab der Senior ihm koffeinhaltige Pillen, später sogar Speed. In der berühmten Tennis-Akademie von Nick Bollettieri verfeinerte Agassi sein Tennis, aber das übrige Leben geriet in Schieflage. Er trank Whiskey, rauchte Marihuana, ließ sich einen Ohrring stechen, benutze Make-up. Es störte niemanden, solange er Erfolg hatte. Mit Trainer-Ikone Bollettieri rechnet er gnadenlos ab. Die Akademie, ein „besseres Gefangenenlager“, mit dem ständigen Druck, der „mörderische Konkurrenz“ und fehlenden Beaufsichtigung durch Erwachsene „ließ uns allmählich zu Tieren werden“, zum „Karate Kid mit Tennisschlägern“.
So sehr er sich am Aufstieg zur Nummer eins berauschte, so sehr plagten ihn Niederlagen. Nach einem verlorenen Daviscupspiel gegen Boris Becker zündete er in seinem Hotelzimmer Kleider und Schuhe an – sein Ventil für extremen Stress ausgerechnet für einen, der mal für die Werbekampagne „Image ist alles“ stand.
Agassi will anderen Mut machen, sich mit Problemen auseinandersetzen, „denn jeder bekommt eine zweite Chance“. Er selbst bekam sie in Form einer neuen Liebe, als die erste Ehe mit der Schauspielerin Brooke Shields längst in die Binsen gegangen war und er Erfahrungen mit harten Drogen gesucht hatte. Steffi Graf verhalf ihm zur Selbstfindung. „Sie ist das stärkste Licht meines Lebens.“
Seine Abneigung gegen Boris Becker, die sich im Buch widerspiegelt, sei dagegen nur auf den Platz beschränkt gewesen, versicherte Agassi. „Wir haben auf dem Oktoberfest zusammen Bier getrunken, das war großartig.“
Quelle. welt.de