Was will die Hanfparade? Radiointerview vom 31.07.2009
Im folgenden findest Du ein Transscript des Radiointerviews, das gestern ausgestrahlt wurde. Es gilt das Primat des gesprochenen Wortes.
Moderatorin: Nachdem die Loveparade nun aus Berlin vergrault wurde, dachte man, dass es keine spaßbetonte Veranstaltung mit politischem Ursprung mehr geben wird. Also zurück zum Ursprung, der sturen Demonstration mit Plakaten und mehr oder weniger engagierten Sprechchören.
Ne – Falsch gedacht! Es verschaffen sich auch inzwischen andere Interessensgemeinschaften Gehör, wie zum Beispiel die Hanfparade und eben diese findet morgen wieder statt.
Seit 1997 hat sie sich inzwischen als fester Bestandteil der Demonstrationsszene etabliert. Dieses Jahr jedoch mit weniger Spaßcharakter und mehr Kampf für die Legalisierung von Genussmitteln.
Georg Meier hat sich mit Steffen Geyer dem Organisator der Hanfparade (eigentlich bin ich nur einer der Organisatoren a.d.A.) unterhalten und wollte wissen, für was sich die Organisation genau einsetzt.
Steffen Geyer: Die Hanfparade ist eine Demonstration für die Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel. Wir versuchen durch Information und Aufklärungsarbeit das Image der Pflanze Hanf hin zu ’ner Legalität zu bewegen.
Georg Meier: Warum hab ihr den ersten August als Demotag ausgewählt? Besteht nicht die Gefahr oder die Befürchtung an einem Samstag die Politiker und Ministeriumsangestellten mit Euren Forderungen nicht zu erreichen?
Wir sind ’ne bundesweite Demonstration, deshalb ist es wichtig, dass die Leute die Möglichkeit haben anzureisen. Deshalb kommt eigentlich nur ein Samstag in Frage.
Und in den letzten Jahren hat es sich dann so als Tradition herauskristallisiert, dass wir immer den ersten Samstag im August wählen.
Natürlich ist uns klar, dass die zuständigen Beamten und Politiker an diesem Tag nicht da sind. Um es noch schlimmer zu machen sind die in der Sommerpause, wir müssten also die Demonstration irgendwie in den Herbst oder Frühling verlegen.
Aber so’ne Demonstration entfaltet ihre Wirkung ja nicht nur an dem Tag, an dem sie tatsächlich stattfindet. Wir sprechen ja auch schon im Vorfeld darüber und werden auch im Nachfeld sicherlich noch einiges Medienecho erzeugen, von dem die zuständigen Stellen dann auch erfahren.
Legalisierung – Frei kiffen für alle?
Und wenn ihr von Legalisierung sprecht, was meint ihr damit konkret? Schließlich tun sich viele Fragen auf. Woher kommen die Cannabisprodukte? Welche Qualität sollen sie haben? Wer regelt die Abgabe und ab welchem Mindestalter darf man dann gesetzlich konsumieren?
Ich fang‘ einfach mal mit dem Letzteren an. Also – unser eigentliches Anliegen ist sicherlich, dass man da ’ne Gleichstellung mit Alkohol und Nikotin erreicht. Das wäre dann nach dem derzeitigen Stand ’ne Altersfreigabe 16 Jahre.
Aus medizinischer Sicht wäre allerdings ’ne Altersfreigabe 18 Jahre sinnvoller, die dann aber konsequent für alle legalen Rauschmittel.
Es ist schlicht nicht gesund, wenn man mit 14, 15, 16 schon kifft oder säuft, deshalb kann man da ruhig warten bis man volljährig ist.
Drogenfachgeschäfte statt gefährlicher Streckmittel
Wie das Ganze dann regelt ist, es gibt da verschiedene Ansätze. Mir persönlich sagt am ehesten das Drogenfachgeschäft zu.
Wenn es nach mir geht, würde ich die heute schon legalen Drogen und die noch freizugebenden Drogen in spezielle Geschäfte transformieren – Raus holen aus dem Supermarkt. Raus holen aus der Tankstelle. Da haben Rauschmittel nichts verloren!
Keine Werbung dafür machen! In aller Regel haben Drogen eine so gute Mund- zu- Mund- Propaganda, dass man die nicht noch kommerziell bewerben muss.
Qualitätssicherung ist in dem Fall dann relativ einfach zu realisieren, weil alle legal gehandelten Lebens- oder Genussmittel der normalen staatlichen Gesundheitskontrolle unterstehen, was insbesondere bei Cannabis dazu führen würde, dass die Streckmittelproblematik über Nacht ein Ende findet.
Wir haben ja heute das Problem, dass relativ viel mit gesundheitsschädlichen Mitteln gestreckt wird, von Glassplittern über Blei, bis hin zu flüssigen Hormonen, die extra entwickelt wurden, um Marihuana zu strecken.
Und das kann man mit ’nem legalen Hanfmarkt quasi über Nacht entziehen, weil ein legaler Händler seine Lizenz verliert, wenn er gestrecktes Zeug verkauft, während ein illegaler Händler eh illegal ist.
Cannabis für Deutschland – Import oder Homegrow?
Es ist sicherlich sinnvoll, die klassischen Produzentenländer insbesondere Marokko, Afghanistan, Nepal da mit einzubinden und denen die Möglichkeit zu geben, von ihren ureigensten Agrarprodukten zu profitieren.
Auf der anderen Seite ist es aber so, dass man den größten Teil des Bedarfs problemlos in Deutschland herstellen könnte.
Schon heute wird in Berlin relativ viel Marihuana produziert – unter illegalen Bedingungen. Wenn man das legalisiert und das in ’ner normalen Fabrikhalle oder sowas unter Kunstlicht machen kann oder in den vielen brachliegenden Agrarflächen der Region Hanf anbauen könnte, der dann halt auch eine Wirkung haben darf, da ist es kein Problem, die für Deutschland nötigen 400 bis 600 Tonnen Cannabis im Jahr zu produzieren.
Also sprecht ihr auch von einer Legalisierung des Anbaus in Deutschland?
Natürlich. Also das funktioniert nicht, wie in den Niederlanden, so’ne Hintertürproblematik offen zu halten. Das nimmt unser Rechtssystem einfach nicht hin. Wenn man eine legale Verkaufsmöglichkeit macht, muss man den Leuten die es verkaufen auch ’ne Möglichkeit zu Einkaufen bieten. Und die setzt legale Produktion und legalen Transport voraus.
Was kann die Hanfparade erreichen?
Kommen wir wieder zurück zur Hanfparade. 1997 fand ja Eure erste Hanfparade satt. Und mittlerweile seid Ihr bei der zwölften. (Eigentlich die 13. a.d.A.) Was hat sich in all den Jahren getan bzw. was konntet ihr durch Euren Protest gezielt bewegen?
Das ist ’ne schwierige Frage. Die Hanfparade ist sehr gut geeignet, so zu beobachten, wie sich die Legalisierungsbewegung entwickelt.
Wir sind entstanden in der großen Euphorie Mitte der Neunziger Jahre nach der Wiederzulassung der Nutzpflanze Hanf in Europa und in der sehr politisierten Gesellschaft der Endtage der Kohlära. Und 97, 98, 99 waren die größten, erfolgreichsten Paraden.
Rot-Grüne Enttäuschung
Das hat dann sehr stark abgenommen, nachdem sich herauskristallisiert hat, dass Rot-Grün im Bund nichts unternehmen wird.
Im Gegenteil, unter Rot-Grün sind sogar Verschärfungen passiert, z.B. haben die das Hanfsamenverbot, dass die CDU-Regierung gerade noch rechtzeitig erarbeitet hatte, einfach abgewunken und in Kraft treten lassen, was völlig absurd ist. Die ganze Welt lacht uns aus, weil wir Stoffe verbieten, die selbst keine psychoaktive Wirkung haben, aber in Potentia dann daraus was entstehen könnte.
Unter Rot-Grün ist es auch nicht gelungen, ’ne bundeseinheitliche Geringe Menge zu finden, obwohl die schon seit 1994 vom Bundesverfassungsgericht angemahnt wird. Im Gegenteil da haben die Innenministerkonferenzen dann die Entscheidung Jahr für Jahr wieder vertagt und sich auf absurde Begründungen zurückgezogen, wie – es gäbe keine Ungleichbehandlung – obwohl jeder Staatsanwalt und jeder Richter genau weiß, dass man in Schleswig-Holstein relativ wenige Probleme kriegt und in Bayern auch wegen eines Joints ’ne Hausdurchsuchung erwarten muss.
Insofern hat die Hanfparade wenn dann nur den Erfolg gehabt, dass die politische Diskussion heute deutlich offener geführt wird.