Toronto – Kanadische Neurologen warnen Patienten mit multipler Sklerose (MS) vor dem Konsum von Marihuana. Nach einer Fall-Kontroll-Studie in Neurology (2008, doi:10.1212/01.wnl.0000304046.23960.2) verlangsamt die Droge die kognitiven Leistungen.
Ein signifikanter Anteil der MS-Patienten in Nordamerika raucht regelmäßig Marihuana und im August letzten Jahres gestattete die Bundesopiumstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erstmals auch in Deutschland einer MS-Patientin die Droge legal in der Apotheke zu beziehen.
Die Patienten versprechen sich eine Minderung der Spastik sowie einen schmerzstillenden Effekt. Auch die Schlafstörungen sollen sich nach der Überzeugung vieler Patienten bessern. Für alle diese Behauptungen gibt es jedoch aus klinischen Studien keine überzeugenden Beweise. Objektive, von der Selbsteinschätzung der Patienten unabhängige Parameter wurden in den publizierten Studien nicht günstig beeinflusst, erklärte Hans-Peter Hartung von der Universität Düsseldorf jüngst in einem Interview mit der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft.
Diese Ansicht vertritt auch Anthony Feinstein von der Universität Toronto, der 140 MS-Patienten untersucht hat. Zehn davon gaben an, in dem zurückliegenden Monat wenigstens einmal Cannabis konsumiert zu haben. In den kognitiven Tests schnitten sie durchweg schlechter ab als Nicht-Konsumenten an, berichtet Feinstein.
In einem Test, der die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung misst, waren sie zu 50 Prozent langsamer als Nichtkonsumenten. Die Konsumenten hatten auch häufiger emotionale Probleme. Feinstein diagnostizierte bei ihnen Depressionen und Angstzustände. (Drogen verstärken die momentane Verfassung, Anmerkung der Redaktion) Da MS-Patienten bereits aufgrund ihrer Erkrankung häufiger unter psychischen Problemen leiden – Depressionen und Suizide seien häufiger als in der Allgemeinbevölkerung – findet der Psychiater den Cannabiskonsum bei MS-Patienten problematisch. Er räumt aber ein, dass eine Studie mit nur zehn Patienten kein abschließendes Urteil erlaubt. © rme/aerzteblatt.de