Vom Verbot, dem Nutzen und den Gefahren des Cannabis
Während vor dem Bundesverfassungsgericht erst in dieser Woche das Nichtraucherschutzgesetz gekippt wurde, demonstrierten gestern in Berlin wieder rund eintausend Menschen für das Recht, rauchen zu dürfen. Mit einem Unterschied: Die überwiegend jungen Menschen setzten ein Zeichen für die Legalisierung von Hanf. In Deutschland rauchen unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen 1,5 und vier Millionen Bürger die Knospen des grünen Krauts ? trotz der Gefahr der Strafverfolgung. Denn der Besitz, Weiterverkauf und Anbau von Hanf ist in Deutschland verboten
Das Cannabisverbot 1925
Einen seiner Ursprünge hat die Verfolgung der ältesten Kulturpflanze der Welt in der zweiten Opium-Konferenz im Jahr 1925. Das 19 Staaten umfassende Gremium beriet in Genf über Kontrollmaßnahmen für Cannabis. 18 Staaten vermeldeten damals keinerlei Probleme mit Hanf. Lediglich in Angola ? damals eine Kolonie Portugals ? gab es kurz zuvor schwarze Aufstände nach Hanfgenuss. Die Entscheidung fiel knapp zu Ungunsten des Cannabis aus. Diese wurde nicht zuletzt auch durch wirtschaftliche Interessen bestimmt. Ägypten drohte Deutschland damals mit einem Lieferstopp von Kokain und Heroin. Beide Drogen wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Pharmafirmen Merck und Bayer für die Medikamentenproduktion genutzt.
Auch die USA hatten ein starkes Interesse am Verbot der Pflanze, stellte Hanf doch eine starke Konkurrenz für die gerade aufkeimende Baumwollindustrie der Vereinigten Staaten dar. Vorreiter in den USA war der Vorsitzende der Drogenkontrollstelle FBNDD, Harry Anslinger. Er setzte 1931 ? während der Weltwirtschaftskrise ? ein 100.000 Dollar teures Paket zur Eliminierung von Marihuana auf: Propagandafilme wurden produziert, Plakate gedruckt, Kriminalität im Grenzgebiet zu Mexiko der Droge Cannabis zugeschrieben. Ihm kam dabei zugute, dass die amerikanische Bevölkerung das Kraut nur unter dem Namen Hanf kannte, nicht jedoch die mexikanische Bezeichnung Marihuana.
In den folgenden Jahren wurden nahezu weltweit harte Anti-Cannabis-Gesetze erlassen. In Indonesien steht noch heute die Todesstrafe auf den Besitz auch geringer Mengen der Droge.
Nach dem Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg 1941 musste die Cannabisprohibition wieder gelockert werden. Hanf wurde benötigt für die Produktion von Segeln, Seilen, Uniformen und vielen weiteren kriegswichtigen Utensilien. Wieder wurden Propagandafilme produziert, diesmal unter dem Titel „Hemp for victory!“ (dt.: Hanf für den Sieg).
Die Niederlande stellen sich quer
Erste Veränderungen in der weltweiten Drogenpolitik gab es im Jahr 1976. Auf Empfehlung der Baan-Kommision reformierten die Niederlande das Drogengesetz (Opiumwet) und klassifizierten Cannabis als weiche Droge, die zwar grunds?tzlich illegal sei, deren Besitz und Konsum jedoch nicht verfolgt würden die Geburtsstunde der Coffeeshops. Die akzeptierende Drogenpolitik scheint den Machern der Reform Recht zu geben. Laut dem Bericht der Nationalen Drogenbeobachtungsstelle (NDM) der Niederlande 2007 ist in den zurückliegenden 20 Jahren kein einziger Todesfall durch Cannabis dokumentiert. Auch die Gegenüberstellung der Konsumentenzahlen der Niederlande und Deutschlands überrascht. Während in den Niederlanden fünf Prozent der 15- bis 64-jährigen angaben, vor kurzem gekifft zu haben, waren es in Deutschland sieben Prozent.
Doch der niederländische Weg bringt auch neue Probleme mit sich. Jährlich strömen tausende Drogentouristen aus Deutschland, Belgien und Frankreich in die Niederlande. Eine Zunahme von Vandalismus, Ruhestörung und Drogenschmuggel im Grenzgebiet war die Folge. Die Regierung reagierte, indem sie den Coffeeshopbetreibern zahlreiche Auflagen aufb?rdete. So dürfen maximal fünf Gramm Marihuana pro Person und Tag verkauft werden und maximal 500 Gramm der weichen Droge im Laden gelagert werden. Ebenso muss durch Ausweiskontrollen das Alter der Konsumenten kontrolliert werden. In den Niederlanden darf Cannabis erst ab dem vollendeten 18. Lebensjahr geraucht werden.
Kultdroge Gras
Dass Cannabis inzwischen trotz Verfolgung auch in Deutschland zu einer Alltagsdroge mutiert ist, gilt auch bei Wissenschaftlern als erwiesen. Dies zeige sich insbesondere daran, dass die Droge in allen Alters- und Sozialschichten geraucht werde, vom 18-jährigen Schüler über den 52-jährigen Bauingenieur bis hin zur 75-jährigen Großmutter, die auf die schmerzlindernden Eigenschaften der Pflanze vertraut.
Auch in deutschen und internationalen Filmproduktionen wird immer öfter positiv auf die Droge Bezug genommen: „Lammbock“ (D 2001), „Grasgeflüster“ (GB 2000) und „Fear and Loathing in Las Vegas“ (USA 1998, bereits 1971 als Buch erschienen) sind nur einige.
Die deutsche Drogenpolitik
In Österreich wurde zum 1.1.2008 das Drogengesetz reformiert. Damit geht eine weitgehende Entkriminalisierung der österreichischen Kiffer einher, denn nun wird die Strafe nicht mehr nach der Menge des gefundenen Marihuana angesetzt. Nach neuerer Rechtsprechung wird bei unseren Nachbarn nun danach unterschieden, ob Cannabis zum Eigenkonsum oder zum Verkauf genutzt werden soll. Und während in der Schweiz im November eine Volksabstimmung dar?ber entscheiden soll, ob Hanf in der Alpenrepublik legalisiert werden soll, tut sich die deutsche Drogenpolitik damit noch schwer. Gleichzeitig sprechen sich viele Drogenexperten, wie der Hamburger Prof. Michael Krausz oder Dr. med. Franjo Grotenhermen, schon seit längerem für eine Entschärfung bzw. Freigabe des Cannabis aus. Doch die Bundesdrogenbeauftragte Sabine Bätzing blockiert eine Lockerung. Sie argumentiert, dass bisher kein hinreichender Nachweis über die Ungefährlichkeit von Cannabis vorläge. Gleichzeitig wird jedoch von verschiedenen Instituten bemängelt, dass Gelder zur Cannabisforschung nur zur Verfügung gestellt würden, wenn die Forschung die Gefährlichkeit der Droge nachweisen wolle.
Während die niederländische Drogenpolitik insbesondere auf Prävention und Gesundheitsschutz der Konsumenten abzielt, beschäftigt sich die deutsche Politik insbesondere mit der Repression der Konsumenten. So ist es nicht verwunderlich, dass Bätzing nach Bekanntwerden von bleivergiftetem Cannabis in Leipzig erst sehr spät eine Konsumentenwarnung auf ihrer Webseite veröffentlichte. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits mehr als 400 Menschen in und um Leipzig zum Teil lebensgefährlich vergiftet.
Cannabis als Einstiegsdroge?
Immer wieder wird von Bätzing formuliert, Cannabis sei eine Einstiegsdroge, die dazu verleite, auch auf härtere Drogen umzusteigen. Diesem Irrglauben widerspricht das amerikanische „Institute of Medicine“. Es gebe keinen ?berzeugenden Beweis dafür, dass Cannabiskonsum den Umstieg auf härtere Drogen fördere. Nur ein geringer Prozentsatz von Kiffern würde auf härtere Drogen umsteigen, meldet auch die Staatliche Niederl?ndische Drogenbeobachtungsstelle NDM. Und selbst unter diesen würde es dank der akzeptierenden Suchthilfe in den Niederlanden nur wenige Problemfälle geben.
Medizinische Auswirkungen des Cannabis
Während die Cannabisbefürworter immer wieder die Vorteile einer Hanflegalisierung betonen, führen die Drogengegner die medizinischen Nachteile ins Feld. So beeinträchtige der Cannabiskonsum das Kurzzeitgedächtnis und könne Psychosen auslösen. Während die Beeinträchtigung der Gehirnfunktionen reversibel sind (d.h. nach Konsumende zurückgehen), lägen die Ursachen für Psychosen vielmehr in angeborenen Faktoren. Cannabis sei lediglich Auslöser, nicht aber Ursache für Psychosen, argumentiert Grotenhermen, der seit Jahren die medizinischen Auswirkungen des Krauts untersucht, das auch vor seinem Verbot schon als Medizin genutzt wurde.
Als bewiesen angesehen wird seit kurzem die Rolle von Marihuana bei Demenz. Dabei sorge Hanf dafür, dass der Abbau von Gehirnmasse schneller voranschreitet.
Dem Vorurteil, Cannabisrauch sei viel gef?hrlicher als Tabakrauch, widerspricht Grotenhermen vehement. Zwar sei der Cannabisrauch etwa viermal so stark wie Tabakrauch und enthalte weit mehr chemische Verbindungen. Doch wer raucht 20 Joints täglich?? fragt Grotenhermen.
Kiffen mit Zertifikat
Neben der Hanfparade gibt es weltweit zahlreiche weitere Bem?hungen um die Cannabislegalisierung. So wird in der amerikanischen Kifferhochburg San Francisco jedes Jahr ein Pot-In? veranstaltet: Tausende Kiffer treffen sich unter den Augen der Polizei, um Cannabis zu rauchen. Vor wenigen Wochen hat in der Nähe von San Francisco die erste Kiffer-Uni? ihren Lehrbetrieb aufgenommen. Die Oaksterdam University? bietet Lehrgänge zur rechtlichen Lage, zum richtigen Anbau und Konsum der Droge an. In Kalifornien ist im Gegensatz zu Deutschland das Rauchen von Cannabis zu medizinischen Zwecken erlaubt.