Von Prof.Dr. Heinz Schilcher
Neuburg Während Botaniker und Pharmazeuten unter „Kraut“ lediglich die oberirdischen Teile einer Pflanze, also Blüten, Blätter und Stängel als Ganzes verstehen und keinen Verwendungszweck damit verbinden, bringt die Mehrzahl der Bevölkerung, nicht zuletzt durch die zahlreich angebotenen „Kräuterwanderungen“, die „Kräuter“ mehr mit deren gesunder Anwendung in Verbindung.
Dabei wird nicht allzu streng unterschieden, ob die verwendeten oberirdischen Pflanzenteile als Salate und Gewürze in der Küche ihre Verwendung finden oder als „Heilkräuter“, also als Arzneipflanzen im Sinne des Arzneimittelgesetzes zur Heilung, Linderung und Vorbeugung gesundheitlicher Beschwerden dienen.
Beide Verwendungen möglich
Es gibt eine Reihe wild gesammelter oder auch kultivierter Pflanzen, die je nach Menge oder Zubereitung beide Verwendungszwecke erfüllen können.
Mehrheitlich versteht man unter der Bezeichnung „Kräuter“ Pflanzenteile mit einer arzneilichen Wirksamkeit, insbesondere, wenn die gesammelten beziehungsweise geernteten Pflanzenteile getrocknet aufbewahrt werden. Letzteres bezeichnet man in der pharmazeutischen Fachsprache als Droge, wobei eine Droge gemäß Arzneibuch nichts mit Heroin oder Marihuana zu tun hat.
Da Kräuter, genauer gesagt Heilkräuter, in der Regel jedoch nur bei Befindlichkeitsstörungen beziehungsweise den sogenannten „banalen Erkrankungen“ verwendet werden, ist den meisten Menschen wenig bewusst, dass es sich im Grunde genommen, laut Arzneimittelgesetz, um die Anwendung von Arzneimitteln mit allen rechtlichen Konsequenzen handelt.
Aus meiner Sicht – ich beschäftige mich seit 1950 praktisch und wissenschaftlich mit der Anwendung von Heilpflanzen – ist gegen die Renaissance der „Kräuteranwendungen“ nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil: Ich begrüße es, dass die alten Bauerngärten, in denen sich neben Gemüse und Gewürzpflanzen auch Arzneipflanzen zum Zweck der Selbstmedikation befinden, in Erinnerung gebracht werden.
Bei den Therapieversprechungen sollte man allerdings zurückhaltender sein und sich nicht ausschließlich auf die Überlieferung der traditionellen und teilweise krass überzogenen Anwendungsgebiete stützen, sondern auch jüngere Forschungsergebnisse mit berücksichtigen und vor allem die Therapieempfehlungen von drei Sachverständigen-Kommissionen (eine nationale, eine europäische und eine WHO-Kommission) kennen und respektieren.
Systematische Untersuchungen zu unerwünschten Neben- und Wechselwirkungen existieren in den Berichten zur Anwendung von Heilkräutern in der traditionellen Medizin nicht, und sie wurden mehr oder weniger erst durch systematische naturwissenschaftliche Untersuchungen in den letzten 30 Jahren sowie durch die erst seit 1978 vorgeschriebenen Nebenwirkungsmeldungen an das Bundesgesundheitsamt und die Ärzte- und Apothekerkammern entdeckt.
Serie Unsere Heilkräuter-Serie beschäftigt sich vornehmlich mit Heilkräutern, bei denen Fehler beim Sammeln, beim Pflanzen im eigenen Garten, bei der Herstellung und Anwendung auftreten können. Als erster Beitrag wird die Besprechung von Johanniskraut erscheinen.
Quelle: augsburger-allgemeine.de