Als erste Stadt in den USA wird Oakland in wenigen Monaten den industriellen Anbau von Cannabis erlauben
Unternehmer erwarten das große Geschäft. Die Stadtverwaltung erhofft Einnahmen aus einer Marihuanasteuer.
Bis auf die Sicherheitsleute vor der Tür und dem Metalldetektor am Eingang wirkt das Harborside Health Center in Oakland, Kalifornien, wie eine Apotheke. Die Räume sind weiß und sauber, die Produkte werden in sieben großen Glasvitrinen hübsch angeordnet präsentiert. Die Patienten warten geduldig, bis sie ihr Rezept abgeben und ihre Medizin erhalten. Nur die Namen der Wirkstoffe, die hier ausgegeben werden, sind außergewöhnlich. Die Patienten bekommen in Harborside weder Antibiotika noch Parkemed. Sie erhalten eine Tüte mit „Blue Dream“ , „Grand Daddy Purple“ oder „Spicy Jack“ . Abgerechnet wird in Gramm.
In Kalifornien ist der Konsum von Cannabis seit 1996 aus medizinischen Gründen erlaubt. Harborside, mit mehr als 80 Mitarbeitern, ist die größte bekannte Cannabis-Ausgabestelle der Welt. Der Herr in diesem Reich ist Firmengründer Stephen DeAngelo. Er hat zwei lang geflochtene Zöpfe, zum Interview erscheint er in einem grünen Anzug und mit grüner Krawatte. Seine Geschäfte laufen trotz Krise gut, ins Harborside Center strömen täglich mehr als 700 Kunden. „Wer will, bekommt Cannabis auch recht einfach“ , erzählt DeAngelo. „Depression, Krebs, Aids, Stress oder einfach nur Rückenschmerzen, die Gründe warum Marihuana verschrieben wird, sind vielfältig.“
Die Chance, die das Cannabis-Geschäft bietet, hat auch die Stadt Oakland erkannt. Oakland, am östlichen Ende der Bucht von San Francisco gelegen, schneidet schon länger im Cannabis-Geschäft über eine kleine Sondersteuer mit. Doch 2011 will die Stadt zum „Silicon Valley of pot“ aufsteigen. Oakland wird als erste Stadt in den USA den Cannabis-Anbau im großen Stil erlauben.
In Kalifornien und den 13 US-Bundesstaaten, in denen Marihuana teillegalisiert ist, darf Hanf nur in sehr begrenztem Umfang angebaut werden. In Oakland waren bis jetzt zwölf Pflanzen pro Person erlaubt. Ende Juli hat der Stadtrat aber beschlossen, vier Lizenzen für den industriellen Anbau von Cannabis zu vergeben. Entstehen können Gewächshäuser in Umfang von 19.000 m2, die Größe von zwei Fußballfeldern.
Ging es dem Stadtrat ursprünglich darum, die Bedingungen des Anbaus besser zu regeln, schielt Oakland inzwischen vor allem auf die potenziellen Einnahmen. Die Anbaulizenzen selbst kosten bereits je 200.000 Dollar.
Doch das Geld soll vor allem durch eine fünfprozentige „cultivation tax“ hereinkommen, die von der Stadt auf alle Verkäufe der Gewächshäuser künftig erhoben wird, sagt Oaklands Stadtrat Larry E. Reid. Die Stadt Oakland kann jeden Cent gebrauchen. Krisenbedingt sind die Steuereinnahmen eingebrochen – das Defizit liegt heuer bereits bei 40 Millionen Dollar und wächst 2011 weiter.
Knapp sind die Kassen überall in den US-Städten, aber Oakland ist besonders betroffen. Viele Vierteln der Stadt sind verarmt und heruntergekommen. Oakland hat eine der höchsten Kriminalitätsraten in den USA. Dennoch wurden im Sommer 80 Polizeibeamte entlassen. „Die Cannabissteuer wird uns nicht sanieren, könnte aber Millionen bringen“ , sagt Reid. Nach Schätzungen winken Oakland pro Gewächshaus mindestens 1,5 Millionen Dollar zusätzliche Einnahmen. Hinzu käme die Schaffung von Arbeitsplätzen, sagt Reid. Befürchtungen, etwa vor einem steigenden Drogenkonsum, hat er nicht.
Interessierte an dem Cannabis-Anbau gibt es jede Menge. Einer von ihnen ist DeAngelo selbst, der allerdings vor einer Euphorie warnt: „Cannabis wird nirgends auf der Welt, nicht einmal illegal, in so großem Stil angebaut. Oakland startet ein Experiment. Was das für Auswirkungen auf Preise und Qualität der Ware hat, weiß noch niemand.“ Kleine Cannabis-Anbauer beklagen zudem, dass sie vom Markt gedrängt werden.
DeAngelo ist stolz auf seine Stadt. Oakland stehe an vorderster Front der Hanf-Legalisierung. Tatsächlich steht in Oakland mit der Oaksterdam-University auch das größte private Weiterbildungsinstitut rund um Marihuana. Etwa 12.000 Studenten haben in der Universität in bis zu 13-wöchigen Kursen alles rund ums Anbauen, über die Verarbeitung und auch über den Konsum von Cannabis gelernt.
„Wir bilden Leute für die Arbeit in der Cannabisindustrie aus“ , sagt Universitätsgründer Richard Lee. „Das ist ein legitimes Geschäft wie jedes andere mit viel Wachstumspotenzial.“ (András Szigetvari aus Oakland/DER STANDARD, Printausgabe, 21.8.2010)
Quelle: derstandard.at