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Chronische Schmerzen, Multiple Sklerose, Krebs- oder HIV: Obwohl es über die Heilwirkung von Cannabis noch keine belastbaren Studien gibt, kämpfen Mediziner seit Jahren um die Freigabe der Droge als Medikament. Nun erhalten erstmals deutsche Patienten Cannabis-Blüten aus der Apotheke.

Drogenkonsum im internationalen Vergleich

In Deutschland wird erstmals Marihuana als Medikament abgegeben: Sieben Patienten haben von der Bundesopiumstelle in Bonn eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Sie bekommen seit Mitte Februar aus den Niederlanden importierte „Medizinal-Cannabis-Blüten“ in ihrer Apotheke.

„Einigen Patienten kann man möglicherweise mit Cannabis helfen“, sagte der Leiter der Bundesopiumstelle, Winfried Kleinert. Es gebe bisher aber keine belastbaren Ergebnisse aus Studien. Kleinert: „Aber es gibt eine Vielzahl von Anwendungsbeobachtungen, die die positive Wirkung zeigen.“

Das bestätigt Franjo Grotenhermen aus Rüthen. Der Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“ kämpft seit Jahren dafür, dass Patienten, die sich selber mit Cannabis helfen, aus der Illegalität herauskommen. „Das sind alles schwer kranke Menschen“, sagte Grotenhermen. Immer wieder werde ihm von der helfenden Wirkung von Cannabis berichtet. „Das hilft vielen Kranken, denen herkömmliche Therapien nichts nützen“, sagte Grotenhermen.

Einsatzgebiete sehen er und Kleinert vor allem bei chronischen Schmerzen, Multipler Sklerose, beim Tourette-Syndrom und bei Krebs- oder HIV-Erkrankungen.

Einer der ersten Patienten, die legal Cannabis-Blüten aus der Apotheke bekommen, ist der Duisburger Lars Scheimann. Der 38-Jährige leidet unter dem Tourette-Syndrom. „Ohne Cannabis haben mich meine Ticks im Griff. Ich schlage mit dem Kopf gegen die Wand oder beiße Gläser kaputt“, sagte Scheimann. „Früher haben alle gedacht, ich sei verrückt“, sagte er. Psychopharmaka hätten wenig geholfen und viele Nebenwirkungen gehabt. Vor 15 Jahren sei er dann zufällig an einen Tisch gekommen, an dem Cannabis geraucht wurde. „Weil es mir schlecht ging, habe ich gesagt: Gib mal her, ich will auch.“ Später sei ihm aufgefallen, dass seine Ticks schwächer wurden.

Seitdem ist Scheimann völlig ohne seine Beschwerden. „Wenn ich mal zehn Stunden kein Cannabis rauche, geht es mir sofort wieder schlechter“, berichtete der Duisburger. Eine Rauschwirkung habe er aufgrund seiner Krankheit nicht. „Cannabis wirkt bei mir anders als bei Gesunden.“ 15 Jahre lang habe er sich sein Medikament „auf der Straße“ besorgt. „Ich muss nur erst einmal die Ängste an die Seite packen, weil ich ja nicht mehr kriminell bin.“

Nach Einschätzung von Kleinert ist Cannabis als Medikament nur in Ausnahmefällen sinnvoll: „Das wird keine allgemeine Medikation, sondern nur für Patienten, denen andere Mittel nichts helfen.“ Grotenhermen schätzt allerdings, dass dies bei bundesweit mehr als 50.000 Menschen der Fall sein könnte. „Man merkt, dass da ein Denkprozess bei der Gesundheitspolitik stattfindet. Politiker, die Cannabis sonst nur als Droge gesehen haben, erkennen nun auch diese andere Seite.“

Für den Mediziner Grotenhermen ist es besonders schlimm, dass immer noch Patienten strafrechtlich verfolgt werden, die sich mit Cannabis helfen. Er berichtet von Fällen, in denen schwer kranke Menschen mit Tee oder Zigaretten aus Cannabis-Kraut Schmerzen lindern oder erfolgreich gegen ihre durch Krebstherapien verursachte Appetitlosigkeit kämpfen. „Während die Kids die Drogen an jeder Straßenecke bekommen können, haben es diese Kranken schwer, sich ihre Medizin zu besorgen, weil die ja mit der Drogenszene nichts zu tun haben und teilweise im Rollstuhl sitzen.“

Von cannabinus

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