Cannabis-Eigenanbau für medizinische Zwecke erlaubt? MS-Patient erringt Teilerfolg bei Klage vor Gericht
22.01.2011
Der Eigenanbau von Cannabis für medizinische Zwecke ist unter Umständen zulässig. Dies geht aus dem am Freitag veröffentlichten Urteil des Verwaltungsgerichts Köln hervor, das die Ablehnung des Antrags eines Multiple-Sklerose-Patienten auf den Eigenanbau von Cannabis durch das Bonner Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgehoben hat.
In seinem Urteil hat das Verwaltungsgericht Köln der Klage des Mannes auf Erteilung einer Erlaubnis zum Cannabis-Anbau für medizinische Zwecken zumindest teilweise stattgegeben. Der seit 1985 an Multiple Sklerose erkrankte Patient, hatte beim BfArM die Genehmigung beantragt, Cannabis selber anbauen zu dürfen, da der regelmäßige Cannabiskonsum auch nach Aussage seiner Ärzte positive Auswirkungen auf die im Zuge der Krankheit auftretenden Bewegungsstörungen hat.
Die dauerhafte Therapie mit Cannabinoiden (wie Dronabinol) oder niederländischem Medizinal-Hanf (ggf. mit Zustimmung der Bundesopiumstelle zu beziehen) ist gegenüber dem Eigenanbau jedoch deutlich teurer und die meisten Patienten können sich dies nicht leisten. Das BfArM hatte jedoch – nicht zuletzt aufgrund von erheblichem Druck aus Richtung des Bundesgesundheitsministeriums – den Antrag des Mannes abgelehnt. Dies Ablehnung hob das Verwaltungsgericht Köln nun auf. Das BfArM wurde aufgefordert, über den Antrag des Multiple-Sklerose-Patienten neu zu entscheiden.
Ablehnung des Eingenanbaus von Cannabis war rechtswidrig
Den ablehnenden Bescheid des BfArM zum Anbau von Cannabis für therapeutische Zwecke, hat das Verwaltungsgericht als rechtswidrig verworfen. Das Bundesamt hatte die Anbau-Genehmigung mit der Begründung verweigert, dass eine solche Genehmigung gegen das internationale Suchtstoffübereinkommen verstoße. Zudem sei die Qualität des Wirkstoffs in dem selbst angebauten Cannabis nicht nachgewiesen und dies daher für die medizinische Versorgung des Klägers ungeeignet. Außerdem äußerte das Bundesamt Bedenken in Bezug auf die sichere Verwahrung des Marihuanas. Den Argumenten des BfArM wollte das Verwaltungsgerichts Köln jedoch nicht folgen. In Bezug auf das Suchtstoffübereinkommen müsse das Bundesamt abwägen, „ob wegen der Schwere der Erkrankung des Klägers unter Beachtung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes selbst ein Verstoß gegen internationale Suchtstoffübereinkommen hinzunehmen ist.“ Das Suchstoffübereinkommen könne nicht als genereller Ablehnungsgrund dienen. Außerdem ist die Behauptung des Bundesamtes, dass die therapeutische Wirksamkeit von Cannabis bislang nicht nachgewiesen wurde, dem Urteil des Verwaltungsgerichts zufolge unerheblich. Denn bei der vorliegenden schweren Erkrankung des Klägers könne schon „die Verbesserung der subjektiven Befindlichkeit eine Linderung (darstellen), deren Eröffnung im öffentlichen Interesse liegt.“ In diesem Zusammenhang habe das BfArM einen Ermessensspielraum, der im Sinne der Patienten angemessen berücksichtigt werden muss, urteilte das Gericht.
Cannabis zur Therapie von Schmerzen und Ataxien
Viele Schmerz- und Ataxie-Patienten haben ähnliche Probleme wie der Kläger und hoffen nun auf Basis des aktuellen Urteilsspruchs, künftig besser mit ihrer Krankheit leben zu können. Denn Patienten, bei denen herkömmliche Medikamente, deren Kosten die Krankenkassen übernehmen würde, keine Wirkung zeigen, verspüren oft deutliche Verbesserungen im Krankheitsbild durch eine Therapie mit Medizinalhanf oder Cannabinoiden. Auf Dauer können sich die meisten von ihnen eine solche Therapie jedoch nicht leisten und für sie wäre der kostengünstige Eigenanbau von Cannabis eine gut Alternative. Doch bisher wurde den Antragstellern die Anbau-Erlaubnis stets verweigert. Diese grundsätzlich ablehnenden Haltung hat das Verwaltungsgericht in seiner wegweisenden Entscheidung nun als rechtswidrig bewertet. Es bestehen in derartigen Fällen keine zwingende Versagungsgründe in Bezug auf den Eigenanbau von Cannabis, so das Urteil des Gerichts. Insbesondere die scharfen Sicherungsrichtlinien des Bundesinstituts für Arzneimittel seien nicht auf Patienten anzuwenden, für die keine Behandlungsalternativen bestehen. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts kann Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster eingelegt werden.
Cannabis-Eigenanbau für viele Schwerkranke eine Alternative?
„Vielen schwerkranken Patienten ermöglicht nur der Eigenanbau von Cannabis tatsächlich eine Therapie ihrer Schmerzen, Ataxien oder anderer gravierender Krankheitserscheinungen. Deswegen ist es zwingend geboten, ihnen diesen Eigenanbau auch zu ermöglichen“, betonte der Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein von der Kanzlei Menschen und Rechte (Hamburg), der das Verfahren für den Kläger geführt hatte. Tolmein begrüßte die Entscheidung des Gericht, jetzt stehe jedoch „insbesondere der Bundesgesundheitsminister in der Pflicht, zu zeigen, dass er die Lage schwerstkranker Menschen wirklich verbessern will.“ Nach Aussage des Anwalts wollte das Bundesinstitut für Arzneimittel dem Antrag des Klägers in dem Verfahren ursprünglich stattgeben, wurde allerdings vom Bundesgesundheitsministerium angewiesen, den Eigenanbau von Cannabis keinesfalls zu genehmigen. Auf Basis des aktuellen Urteils muss das BfArM nun erneut über den Antrag des Multiple-Sklerose-Patienten entscheiden und dabei dem gegenwärtigen gesundheitlichen Zustand des Mannes Rechnung tragen. So erscheint eine Genehmigung des Eingenanbaus für den Kläger durchaus greifbar, doch bleibt abzuwarten wie die Behörden in dem Genehmigungsverfahren entscheiden werden. (fp)
Quelle: heilpraxisnet.de