von Anja Hanneforth
Werther/Versmold. Unscheinbar liegt das Feld da, ein ganz normaler Acker, zwei Hektar Hanfpflanzen, Ende des Sommers ausgebracht, die nun ihre Samenstände in den trüben Novemberhimmel recken. Doch die Fläche am Helleweg in Bockhorst birgt Zündstoff – im positiven Sinn. Die Universität Wuppertal betreibt hier zusammen mit Landwirt Joachim Klack und seinem Wertheraner Kollegen Karl-Erich Oldemeyer vom Vorstand der Hanf-Erzeugergemeinschaft ein Versuchsfeld. Getestet wird mittels regelmäßiger Boden- und Pflanzenproben, ob sich der herkömmliche Nutzhanf auch als Winterfrucht eignet – und welche Auswirkungen dies auf das Ökosystem hätte.
Hanf als den Tausendsassa unter den Nutzpflanzen zu bezeichnen ist sicher nicht übertrieben. Er ist robust, kommt ohne Dünger und Pflanzenschutz aus, wächst auf fast allen Böden und übersteht auch längere Trockenphasen ohne Schäden. Aus ihm lassen sich Dämmstoffe, Kleidung, Speiseöle und vieles mehr herstellen.
Seit Jahren kämpfen Klack und Oldemeyer dafür, dass die Industrie endlich seinen Nutzen erkennt und in die Fertigung einsteigt. Profitieren würden davon nicht nur die Landwirte selbst, sondern in erster Linie die Umwelt. Allerdings: „So lange der Erdölpreis niedrig bleibt, wird sich wohl nichts ändern”, befürchtet Dr. Helga Mölleken.
Die Botanikerin vom Fachbereich Biologie und Chemie an der Uni Wuppertal ist wie die Männer von der Erzeugergemeinschaft seit Jahren Fan der Hanfpflanze. „Ein toller Rohstoff”, findet sie. Inzwischen ist Dr. Mölleken regelmäßiger Gast auf dem Versuchsfeld in Bockhorst, um Pflanzen- und Bodenproben zu nehmen. Im Labor werden diese später analysiert.
Dabei geht es nicht darum zu erforschen, wie man Fasern von Schäben trennt oder was man aus diesen herstellen kann – „dafür sind andere zuständig”, sagt sie mit Blick auf Klack und Oldemeyer. „Uns geht es vielmehr um die biochemischen Zusammenhänge und darum, ob sich diese Pflanze tatsächlich im großen Stil als nachwachsender Rohstoff eignet.”
Davon sind Klack und Oldemeyer überzeugt. Um den Hanf aus seinem Nischendasein herauszuführen, wagen sie auch ungewöhnliche Wege und probieren aus, was es in dieser Form noch nicht gegeben hat: Hanf nicht als Hauptfrucht wie Getreide oder Mais anzubauen, sondern als Zwischen- oder in diesem Fall als Winterfrucht.
Wie auf dem Versuchsfeld in Bockhorst. Es wurde erst Ende des Sommers angelegt, dennoch steht der Hanf hier inzwischen übermannshoch. Jetzt wird es darauf ankommen herauszufinden, wie winterfest er ist, wie er die Frostperiode übersteht und was das für die Fasern und Schäben bedeutet – den Grundstoff aller Hanfprodukte. Einmal im Monat kommen Dr. Mölleken oder ihre Kollegen – der Chemiker Prof. Dr. Hans-Josef Altenbach, der Biochemiker Prof. Dr. Helmut Guth und der Bodenanalytiker Prof. Dr. Jörg Rinklebe – dazu nach Ostwestfalen.
Die Vision von Oldemeyer ist dabei klar: „Wenn nur ein Zehntel der Ackerfläche in Nordrhein-Westfalen für Hanf als Zwischenfrucht genutzt würde, also 100 000 Hektar, dann würde das einen zusätzlichen Ertrag für die Landwirte von 500 000 Tonnen eines der vielseitigsten pflanzlichen Rohstoffe überhaupt bedeuten.” Und Klack fügt hinzu: „Wenn das keine Steilvorlage an Landwirtschaft, Industrie und Politik ist, dann weiß ich es auch nicht.”
Quelle: haller-kreisblatt.de