Die Geschichte der Hanfsamen: Von den Anfängen bis zur modernen Nutzung

Die ersten archäologischen Beweise der Cannabis-Pflanze gehen 8.500 Jahre zurück. In China wurde schon damals der Hanf zur Anfertigung von Kleidern und Seilen verwendet. Diese umfassende Chronologie zeigt die faszinierende Entwicklung von den ersten Hanfsamen-Funden bis zur modernen Wiederentdeckung als vielseitiger Rohstoff.

Die drei Cannabis-Arten und ihre Eigenschaften

Es können drei verschiedene Hauptarten (ohne Unterarten) der Hanfpflanze unterschieden werden, die jeweils spezifische Eigenschaften und Verwendungszwecke haben:

Cannabis sativa
Über ganz Amerika verbreitet. Charakteristisch sind starke Fasern, hoher Wuchs und wenig Harzproduktion. Ideal für die industrielle Fasergewinnung und Textilproduktion.
Cannabis indica
Erstmals in Indien aufgetaucht. Kennzeichnend sind kurzer Wuchs und holzige Struktur, wodurch sie nicht zur Fasergewinnung geeignet ist. Höhere Harzproduktion als Sativa.
Cannabis ruderalis
Kommt hauptsächlich im südlichen Sibirien vor. Kleinwüchsige, robuste Pflanze mit automatischer Blüte unabhängig von Lichtzyklen.

Frühe historische Erwähnungen

450 v. Chr.
Cannabis ruderalis wurde das erste Mal in den Berichten des griechischen Wanderers Herodot erwähnt. Er beschreibt die Bestattungsriten eines Königs der Skythen (Nomadenstamm in den Steppen von Turkestan). Es wurden tipiartige Aufbauten errichtet und mit Teppichen abgedeckt.
„Bei den Riten reinigten sich die Skythen innerlich, indem sie Hanfsamen über glühende Steine streuten, den Rauch inhalierten und vor genüsslichem Vergnügen heulten.“
— Herodot, 450 v. Chr.
3. Jahrtausend v. Chr.
Cannabis sativa erobert im Lauf der Geschichte den ganzen Erdball. Unter der Herrschaft des Kaisers Sheng-Nung wurde das erste Pharmaziebuch in China verlegt, welches die Verwendung von Hanf gegen Rheuma, Verstopfung bis zur Geistesgestörtheit empfiehlt.
2. Jahrhundert n. Chr.
Im Römischen Reich wurde Cannabis oft auf Banketten herumgereicht, um Heiterkeit und Freude zu steigern. Die gesellschaftliche Akzeptanz war zu dieser Zeit sehr hoch.
2. Jahrtausend v. Chr.
Früheste Hinweise von Cannabis indica wurden in der Atharva Veda gefunden, wo Hanf zu den fünf heiligen Pflanzen gezählt wurde. C. indica verbreitete sich von Indien in die angrenzenden Länder und gelangte über Persien und Ägypten westwärts. Arabische Händler brachten die Pflanze auf den afrikanischen Kontinent.

Europäisches Interesse und wissenschaftliche Studien

Anfang 19. Jahrhundert
Im Zuge der englischen Kolonialisierung Indiens und der Eroberung Ägyptens durch Napoleon wurde das europäische Interesse besonders am medizinischen Nutzen von C. indica geweckt. In Indien rauchen die Sadhu (nur bei Mönchen ist das Haschischrauchen geduldet) heute noch Cannabis bei ihren Ritualen, als Nebeneffekt wird auch das sexuelle Verlangen der Mönche vermindert.
Die erste umfangreiche Cannabis-Studie (1839)

In der ersten umfangreichen Studie wurde 1839 die Entwicklung des Hanfgebrauchs in der indischen Kolonie untersucht. Es wurden über 1.200 Menschen befragt: Ärzte, Yogis, Fakire, Bhang-Bauern, Schmuggler, Hanfhändler, Armeeoffiziere und viele andere.

Ergebnis: Ein sieben Bände umfassender Schlussbericht (3.281 Seiten) mit folgenden wesentlichen Aussagen:

  • Eine Unterscheidung zwischen gemäßigtem und exzessivem Gebrauch wurde getroffen (die Befragten hielten die Unterscheidung jedoch für sehr schwierig)
  • Der gemäßigte Gebrauch von Hanfdrogen ist im Wesentlichen körperlich unschädlich
  • Ein absolutes Verbot ist laut Kommission abwegig
  • Es konnten keine ernstzunehmenden Beweise für geistige und moralische Schäden gefunden werden
Weitere wichtige Untersuchungsausschüsse

Es gab weitere bedeutende Untersuchungsausschüsse, die die Erkenntnisse der ersten Studie bestätigten:

  • La Guardia Commission (1943): Verfasste einen Report über den Hanfgenuss in New York City und versuchte die Wirkstoffe zu analysieren und synthetisch herzustellen
  • UNO-Aufstellung (1951): Publizierte eine Aufstellung, nach der es damals 200 Millionen Cannabisgebraucher auf der Welt gab
  • Wootton Report (1968), Le Dain Report (1970) und Shafer Report (1972): Bestätigten die im Wesentlichen unschädlichen Wirkungen auf den Körper

Cannabis in Amerika: Von der Förderung zum Verbot

Amerikanische Revolution bis 19. Jahrhundert – Staatliche Förderung
1762
In Amerika wurde die Hanfproduktion während der Amerikanischen Revolution über ganz Neuengland und den Süden staatlich gefördert. In Virginia gab es sogar eine Strafandrohung, wenn die Farmer kein Hanf anbauten. Die Britische Kriegsmarine benötigte kräftige Taue und Segel, wofür sich die Hanffasern hervorragend eigneten.
Mitte 19. Jahrhundert
Das Hauptinteresse lag an den Fasern für die Kleider-, Seil- und Feinpapierproduktion, jedoch wurde auch das Interesse an den psychoaktiven Eigenschaften ausgedrückt. Die medizinische Verwendung von Cannabinoiden aus dem europäischen Raum fand nach Nordamerika Eingang.
Nach dem Bürgerkrieg
Nach Beendigung des Bürgerkrieges sank die wirtschaftliche Bedeutung des Hanfs. Die Entwicklung eines billigen Holzmarktes und eine industrielle Verarbeitung von Baumwolle trugen dazu bei, dass der Hanfanbau unzeitgemäß wurde.
20. Jahrhundert – Wiederentdeckung und Verbot
Anfang 20. Jahrhundert
Der Hanfanbau wurde vor allem in New Orleans wiederentdeckt. Mexikanische Landarbeiter rauchten Cannabis als billigen Ersatz für Alkohol. Innerhalb von wenigen Jahren breitete sich die Nutzung über andere Landesteile aus.
1920
Der Erlass des Eighteenth Amendment, der den Alkoholgenuss verbot, sorgte für eine weitere Popularisierung von Cannabis als Alternative.
1932 – Die Anslinger-Ära
1932 kam die Wende der Anslinger-Ära. Anslinger war der Chef des U.S. Narcotics Bureau, das 1930 geschaffen wurde. Er dirigierte große Medienkampagnen gegen den Cannabisgenuss mit Titeln wie „Marihuana, Meuchelmörder der Jugend“. Als Folge seiner Politik wurde 1937 Cannabis in 46 der damals 48 Staaten gesetzlich verboten.
1941
Vier Jahre nach dem Verbot wurde die Droge von der Liste der amerikanischen Pharmazeutika gestrichen und 28 freiverkäufliche medizinische Cannabis-Präparate wurden vom Markt gezogen.
1950er Jahre
Aufgrund des Gebrauchs in Jazz-, Beat- und Künstlerkreisen nahm das Interesse an der Wirkung der Droge auf das Bewusstsein stark zu.
1961
60 der führenden Nationen unterzeichneten auf Anslingers Bemühen die „Uniform Drug Convention“. Darin verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten, innerhalb von 25 Jahren die Cannabisverwendung zu beenden. Es kam zu einer weltweiten Kriminalisierung der Droge.
1975
450.000 Menschen wurden in den USA festgenommen, obwohl es sich bei 90% der Fälle um den Gebrauch kleinster Mengen handelte.

Der Weg zur Entkriminalisierung

1973
Oregon unternahm nach dem Vorbild einiger Städte wie Ann Arbor den ersten Versuch in Richtung Entkriminalisierung, indem es die Strafe bei kleinsten Mengen zum Eigenverbrauch der Buße für eine Ordnungswidrigkeit beim Parken gleichsetzte.
1975
Andere Staaten wie Alaska, Kalifornien, Colorado und weitere schlossen sich der Entkriminalisierung an.
1976
In Kalifornien wurde die Legalisierung des Marihuanaanbaus mit 11 Stimmen zu 2 Gegenstimmen beschlossen – ein Meilenstein in der Cannabis-Geschichte.

Cannabis heute: Renaissance und moderne Nutzung

Aktuelle Entwicklungen 2024

Heute erlebt Cannabis eine beispiellose Renaissance. Von der medizinischen Nutzung bis zur industriellen Hanfproduktion – die Pflanze erobert ihren rechtmäßigen Platz zurück.

7.116
Hektar Nutzhanfanbau in Deutschland 2024
623
Hanfanbau-Betriebe bundesweit
200+
Millionen Cannabis-Nutzer weltweit (1951)
8.500
Jahre dokumentierte Nutzung

Deutschland erreichte 2024 ein Rekordhoch beim Nutzhanfanbau und hat gleichzeitig Cannabis für den Eigengebrauch teilweise legalisiert. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der historischen Studien werden heute durch moderne Forschung bestätigt.

Fazit: Ein Kreislauf der Geschichte

Die Geschichte der Hanfsamen und Cannabis zeigt einen faszinierenden Kreislauf: Von der frühen Anerkennung als wertvolle Nutz- und Heilpflanze über die systematische Verteufelung bis hin zur modernen Wiederentdeckung. Die wissenschaftlichen Studien des 19. und 20. Jahrhunderts, die bereits die relative Unschädlichkeit von Cannabis belegten, werden heute durch moderne Forschung bestätigt.

Was vor 8.500 Jahren in China begann und über Jahrtausende geschätzt wurde, erlebt heute eine Renaissance. Die drei Cannabis-Arten – Sativa, Indica und Ruderalis – finden wieder ihren Platz in Medizin, Industrie und Gesellschaft. Die Geschichte lehrt uns, dass Vorurteile und politische Interessen wissenschaftliche Erkenntnisse überschatten können, aber die Wahrheit setzt sich letztendlich durch.

Von den ersten Hanfsamen vor 8.500 Jahren bis zur heutigen Legalisierung – Cannabis schreibt weiterhin Geschichte.

Von cannabinus

Gebt den Hanf Frei!!!